Ein Prosit auf Wetzlar

„Am 05.08.2014 in Mittelhessen in der Presse Von Iris Baar“

Ein Prosit auf Wetzlar

ABENTEUER Biker entdecken heimische Geschichte in den USA

Wetzlar. Mit einem Dollar in der Tasche und nur einer Unterhose im Gepäck: So ausgestattet verließ der Wetzlarer Friedrich Schäfer 1838 seine Heimat und setzte nach New York über. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder folgte 1840. Zwei Jahre später verkauften sie das erste deutsche Lagerbier auf dem Broadway. Jetzt reisen ihnen die Hinterländer Mountainbiker hinterher. Sie wollen das Schäfer-Bier probieren. Unter anderem. 

„Ja, was ist das denn?“ Beim Ausruf von Harald Becker reißt sein Freund Ulrich Weigel den Kopf hoch. Beim Recherchieren über die Bier-Brüder aus Wetzlar sind die zwei Radfahrer im Wetzlarer Stadtarchiv auf eine 70 Jahre alte Festschrift zum 100. Geburtstag der Brauerei gestoßen. Sie zeigt Fotos von Friedrich Schäfer neben seinem Bruder Maximilian, von ihrer ersten Brauerei am Broadway in Manhattan, und von der nächsten – größeren – in der 7th Avenue. „Die haben echt ein Imperium aufgebaut“, freut sich Harald Becker, der das Bier-Kapitel für die nächste Geschichtstour der Mountainbiker recherchiert. Begeistert blättert er weiter – zum Geburtshaus der Brüder in Wetzlar. Es steht noch heute in der Engelsgasse 2. „Das schauen wir uns gleich mal an“, sind sich die Jungs einig und rollen vom Archiv drei Straßenecken weiter. „Zum Reichsapfel“ hieß die Wirtschaft damals, die sich im Erdgeschoss befand. Eine Wirtschaft ist in dem schmalen Gebäude nicht mehr zu finden, aber der Reichsapfel ziert das Haus noch heute.

Schon seit zwei Jahrzehnten fahren Becker, Weigel und ihre Freunde Jörg Krug, Siegfried Pitzer und Matthias Schmidt auf den Spuren mittelhessischer Geschichte um die Welt. Dabei werden sie von Jahr zu Jahr professioneller. Hatten sie sich anfangs mit schwerem GPS-Gerät auf dem Rücken getroffen, um alte Wanderwege und Routen quer durch das Hinterland zu erkunden und aufzuzeichnen, haben sie das Radfahren längst um den Aspekt „Geschichte“ erweitert und überwinden nun eine Ländergrenze nach der anderen. Sie arbeiteten sich bereits auf den Spuren Hannibals hoch auf die Alpen, besuchten Auswanderer in Brasilien, spürten mittelhessische Anekdoten in Japan und Namibia auf. Im September werden sie in Kalifornien und New York auf Spurensuche gehen.

Bier kommt aus Wetzlar, die Freiheit aus dem Hinterland

„Die Wetzlarer Bier-Brüder sind ja nur eine der Spuren, die wir verfolgen werden“, erklärt Ulrich Weigel, der als Hausaufgabe das Thema „Freiheitsstatue“ recherchieren muss. Denn der Stammvater des Schöpfers der Freiheitsstatue kommt – wie sollte es auch anders sein – aus Mittelhessen. „Seine Frau wurde sogar in der gleichen Kirche im hinterländischen Oberhörlen konfirmiert und mit ihm getraut, in der ich konfirmiert und getraut wurde“, erzählt Ulrich Weigel nicht ohne Stolz.

Dass das berühmte Heinz-Ketchup auf Rezepten von Anna Margaretha Heinz, geborene Schmidt basiert, die aus dem oberhessischen Kruspis stammte, haben die Mountainbiker natürlich auch herausgefunden.

Und sie werden eine Leica auf den Amerika-Trip mitnehmen, die beim Unglück des Luftschiffs „Hindenburg“ 1937 in Lakehurst stark beschädigt wurde. „Wenn es klappt, fahren wir mit der Leica im Gepäck in einem Luftschiff über die Unglücksstelle“, erzählen Harald Becker und Ulli Weigel.

Doch bevor sie ihr Abenteuer starten können, liegt noch eine Menge Arbeit vor den Radlern. Sie müssen sich durch alte Kirchenbücher arbeiten, in vergilbten Seiten im Stadtarchiv blättern und sich durchs Internet klicken. In Amerika wollen sie mit den Erkenntnissen die mittelhessischen Vorfahren von Bier, Ketchup und der Freiheitsstatue aufsuchen und anschließend ein Buch herausbringen.

Eines ist klar: Auf das erste deutsche Lagerbier der USA freuen sich die fünf Freunde schon jetzt. Bezahlen werden sie es auch können. Denn anders als Friedrich Schäfer wollen sie mit mehr als einem Dollar im Gepäck in die Staaten reisen. Und die ein oder andere Unterhose mehr sollte auch drin sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert