Die heiße Spur zur „Lady“

Am 17.08.2014 in Mittelhessen.de und in der Presse
VON HARTMUT BÜNGER

Die heiße Spur zur „Lady“

MOUNTAINBIKE-TOUR Ahnen von Bartholdi lebten in Oberhörlen

Steffenberg-Oberhörlen. Wenn die Hinterländer Mountainbiker in diesem Jahr in den Vereinigten Staaten von Amerika auf ihren Rädern unterwegs sind, dann werden sie auch eine Spur aus dem Hinterland verfolgen. Genauer: eine Spur aus Oberhörlen. Denn genau dort haben einst die Ahnen des Mannes gewohnt, der die Freiheitsstatue entworfen und gebaut hat.

Frédéric August Bartholdi heißt der Mann, der die „Lady Liberty“ 1886 erschuf. Nicht nur wegen seines Namens, auch wegen seiner Geburt im Elsaß (1834) und seinem Tod in Paris (1904) verortet man ihn und seine Familie schnell in Frankreich. Ein Fehler, wie Ulrich Weigel und seine Mitbiker Harald Becker, Jörg Krug, Siegfried Pitzer und Matthias Schmidt im Vorfeld ihrer neuen Tour herausgefunden haben.

„Unsere Recherchen laufen auf Hochtouren und wir sind auch schon fündig geworden“, berichtet Ulrich Weigel dem Hinterländer Anzeiger. Eine „heiße Spur“ führe zum Schöpfer der Freiheitsstatue. Der sei nicht etwa Franzose, auch nicht nur Deutscher, Hesse oder gar Hinterländer. „Nein, seine Frau wurde in der gleichen Kirche in Oberhörlen konfirmiert und mit ihm getraut, in der Jörg und ich konfirmiert wurden und ich getraut wurde“, erzählt er.

Wie schon so oft half der Heimathistoriker Heinz Blöcher aus Eschenburg-Roth bei den Recherchen. Er stieß die Mountainbiker auf die Wurzeln des „französischen“ Bildhauers im Hinterland. Den Beleg haben die Mountainbiker natürlich selbst in Augenschein genommen. Und das Kirchenbuch, das in einem feuerfe᠆sten Schrank im Pfarrhaus aufbewahrt wird, beweist: Am 10. Mai 1660 hat Wilhelm Bartholdy in Oberhörlen Maria Juliana Welcker gefreit. Anschließend war er von 1664 bis 1682 Pfarrer in Höringhausen, ehe er ab 1683 Nachfolger seines Schwiegervaters, Pfarrer Gerlach Welcker, in Oberhörlen wurde. Ein Familienzweig führte von dort ins Elsass.

Das ist allerdings nicht die einzige Spur aus Mittelhessen und Hessen, auf die sich die Mountainbiker begeben, wenn sie in der zweiten Septemberwoche unter dem Motto „Die neue Welt und auf den Spuren des Mountainbike-Sports unterwegs in Amerika“ die USA bereisen. „Etwa 15 Spuren haben wir gesichtet“, berichtet Ulrich Weigel im Gespräch mit dem HA, „am Ende überlegen wir, was wir verwirklichen können.“ Zum einen müsse man die unterschiedliche Orte in der zur Verfügung stehenden Reisezeit erreichen können. Zum anderen spiele auch die finanzielle Seite eine Rolle.

Suche nach den Spuren des einzigen überlebenden Posträubers

Auf jeden Fall werden die Mountainbiker eine Original Leica Kamera dabei haben, die während der Feuersbrunst beim Unglück des Luftschiffes Hindenburg in Lakehurst stark beschädigt wurde.

Noch auf der Suche sind die die Biker nach Nachfahren von David Briehl, einem der acht Subach-Posträuber, die 1822 den Geldtransport zwischen Gladenbach und Gießen überfielen. Lediglich einem gelang die Flucht. David Briehl, Strumpfhändler aus Dexbach, entzog sich der Hinrichtung, indem er nach Amerika auswanderte. Er ließ sich in Saugerties nahe New York York nieder, heiratete und baute sich ein Haus. Dies geht aus einem Brief hervor, den er seinem Bruder am 25. April 1845 schickte. Dieses letzte Lebenszeichen liegt den Mountainbikern in Kopie vor.

Aus Hessen stammt auch einer der beiden Gründer von Bausch & Lomb. Bekannt geworden ist Bausch & Lomb besonders durch die berühmte Brillenmarke Ray-Ban. In Rochester bei New York steht heute noch das bekannte Lomb Haus. Während Johann Jakob Bausch aus Württemberg stammt, wurde Henry C. Lom am 24. November 1828 in Burghaun bei Fulda geboren.

Deutsche Wurzeln hat auch Levi Strauss. Er wurde am 26. Februar 1829 unter dem Namen Löb Strauß in Buttenheim bei Bamberg als Sohn jüdischer Eltern geboren, wie die Mountainbiker ermittelt haben. Nach dem Tod des Vaters folgte die Familie 1847 den ältesten Söhnen nach, die schon ausgewandert waren und in Amerika einen Textilhandel gegründet hatten. Die Nachricht von Goldfunden in Kalifornien lockte Strauss nach Kalifornien. Sehr schnell fand er heraus, dass strapazierfähigere Hosen aus robusterem Stoff benötigt wurden. Zusammen mit dem Schneider Jakob Davis bekam er schließlich 1873 das Patent für die genietete Hose. Die Jeans war geboren.

Eine ereignisreiche Reise steht den Mountainbikern also wieder bevor. Eine Reise, auf der es auch um den Mountainbike-Sport als solchen gehen soll. „In Kalifornien werden wir zunächst beim Kamikaze Event unter anderem die Mountainbike-Legenden Hans Rey und Tom Ritchey treffen“, kündigt Weigel an.

Schon jetzt würden sie sich auf die legendären Downhills im Kalifornischen Bergland freuen – und natürlich auf die hessischen Wurzeln in den Weingebieten von Napa Valley. Ohne die geht es eben nirgendwo.

Ein Prosit auf Wetzlar

„Am 05.08.2014 in Mittelhessen in der Presse Von Iris Baar“

Ein Prosit auf Wetzlar

ABENTEUER Biker entdecken heimische Geschichte in den USA

Wetzlar. Mit einem Dollar in der Tasche und nur einer Unterhose im Gepäck: So ausgestattet verließ der Wetzlarer Friedrich Schäfer 1838 seine Heimat und setzte nach New York über. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder folgte 1840. Zwei Jahre später verkauften sie das erste deutsche Lagerbier auf dem Broadway. Jetzt reisen ihnen die Hinterländer Mountainbiker hinterher. Sie wollen das Schäfer-Bier probieren. Unter anderem. 

„Ja, was ist das denn?“ Beim Ausruf von Harald Becker reißt sein Freund Ulrich Weigel den Kopf hoch. Beim Recherchieren über die Bier-Brüder aus Wetzlar sind die zwei Radfahrer im Wetzlarer Stadtarchiv auf eine 70 Jahre alte Festschrift zum 100. Geburtstag der Brauerei gestoßen. Sie zeigt Fotos von Friedrich Schäfer neben seinem Bruder Maximilian, von ihrer ersten Brauerei am Broadway in Manhattan, und von der nächsten – größeren – in der 7th Avenue. „Die haben echt ein Imperium aufgebaut“, freut sich Harald Becker, der das Bier-Kapitel für die nächste Geschichtstour der Mountainbiker recherchiert. Begeistert blättert er weiter – zum Geburtshaus der Brüder in Wetzlar. Es steht noch heute in der Engelsgasse 2. „Das schauen wir uns gleich mal an“, sind sich die Jungs einig und rollen vom Archiv drei Straßenecken weiter. „Zum Reichsapfel“ hieß die Wirtschaft damals, die sich im Erdgeschoss befand. Eine Wirtschaft ist in dem schmalen Gebäude nicht mehr zu finden, aber der Reichsapfel ziert das Haus noch heute.

Schon seit zwei Jahrzehnten fahren Becker, Weigel und ihre Freunde Jörg Krug, Siegfried Pitzer und Matthias Schmidt auf den Spuren mittelhessischer Geschichte um die Welt. Dabei werden sie von Jahr zu Jahr professioneller. Hatten sie sich anfangs mit schwerem GPS-Gerät auf dem Rücken getroffen, um alte Wanderwege und Routen quer durch das Hinterland zu erkunden und aufzuzeichnen, haben sie das Radfahren längst um den Aspekt „Geschichte“ erweitert und überwinden nun eine Ländergrenze nach der anderen. Sie arbeiteten sich bereits auf den Spuren Hannibals hoch auf die Alpen, besuchten Auswanderer in Brasilien, spürten mittelhessische Anekdoten in Japan und Namibia auf. Im September werden sie in Kalifornien und New York auf Spurensuche gehen.

Bier kommt aus Wetzlar, die Freiheit aus dem Hinterland

„Die Wetzlarer Bier-Brüder sind ja nur eine der Spuren, die wir verfolgen werden“, erklärt Ulrich Weigel, der als Hausaufgabe das Thema „Freiheitsstatue“ recherchieren muss. Denn der Stammvater des Schöpfers der Freiheitsstatue kommt – wie sollte es auch anders sein – aus Mittelhessen. „Seine Frau wurde sogar in der gleichen Kirche im hinterländischen Oberhörlen konfirmiert und mit ihm getraut, in der ich konfirmiert und getraut wurde“, erzählt Ulrich Weigel nicht ohne Stolz.

Dass das berühmte Heinz-Ketchup auf Rezepten von Anna Margaretha Heinz, geborene Schmidt basiert, die aus dem oberhessischen Kruspis stammte, haben die Mountainbiker natürlich auch herausgefunden.

Und sie werden eine Leica auf den Amerika-Trip mitnehmen, die beim Unglück des Luftschiffs „Hindenburg“ 1937 in Lakehurst stark beschädigt wurde. „Wenn es klappt, fahren wir mit der Leica im Gepäck in einem Luftschiff über die Unglücksstelle“, erzählen Harald Becker und Ulli Weigel.

Doch bevor sie ihr Abenteuer starten können, liegt noch eine Menge Arbeit vor den Radlern. Sie müssen sich durch alte Kirchenbücher arbeiten, in vergilbten Seiten im Stadtarchiv blättern und sich durchs Internet klicken. In Amerika wollen sie mit den Erkenntnissen die mittelhessischen Vorfahren von Bier, Ketchup und der Freiheitsstatue aufsuchen und anschließend ein Buch herausbringen.

Eines ist klar: Auf das erste deutsche Lagerbier der USA freuen sich die fünf Freunde schon jetzt. Bezahlen werden sie es auch können. Denn anders als Friedrich Schäfer wollen sie mit mehr als einem Dollar im Gepäck in die Staaten reisen. Und die ein oder andere Unterhose mehr sollte auch drin sein.