Archiv der Kategorie: HMB-News

Ingenieurskunst am Goldenen Tor

Ingenieurskunst am Goldenen Tor

SERIE Die Hinterländer Mountainbiker auf Spurensuche in den USA – Teil 5

Sonntag, 14. September. Seitdem wir global unterwegs sind, stellen die Projekte auch logistisch eine immer größere Herausforderung an uns. Reichte in Namibia noch ein Van und in Japan der Shinkansen (Hochgeschwindigkeitszug), so mussten wir uns in den USA etwas anderes einfallen lassen, um die teilweise notwendigen Transfers von bis zu 5000 Kilometern zu meistern. Leider haben wir im Gegensatz zu unseren neuen Freunden Joe Breeze und Otis Guy, mit denen wir noch am Vortag gemeinsam auf den Bikes unterwegs waren, nicht die Zeit, das mit unseren Rädern zu meistern. Beide hatten es zweimal – zuletzt vor mehr als 30 Jahren – mit ihrem Tandem versucht, den damals gültigen Bike-Rekord von San Francisco nach New York zu brechen.

Durch die Speichen geschaut: …

Es ist 4 Uhr morgens, als sich Joe Breeze und Otis Guy am 12. Juni 1979 von der Golden Gate Bridge in San Francisco auf den Weg machen. Sie wollen den Rekord für die Durchquerung der USA auf einem Fahrrad unterbieten. Dieser liegt bei 13 Tagen, einer Stunde und 40 Minuten und wurde 1978 von John Marino aufgestellt. Das kühne Ziel lautet, die Strecke in weniger als zwölf Tagen zu bewältigen. Drei Jahre zuvor mussten sie bei ihrem ersten Versuch nach sechs Tagen aufgrund von Knieproblemen von Joe aufgeben. Diesmal wählen sie eine Strecke mit einer Distanz von etwas mehr als 4800 Kilometern, was einen Schnitt von 417 Kilometern und 15 Stunden pro Tag im Sattel bedeutet. Dort, wo ein Fahren nicht möglich ist, muss das Tandem getragen werden. Otis steuert, Joe sitzt hinter ihm. Am ersten Tag erreichen sie in guter Verfassung – nach 419 Kilometern und einer Höchstgeschwindigkeit von 104 Stundenkilometern – Reno.

Am zweiten Tag schaffen sie 475 Kilometer, nach weiteren 369 Kilometern sind sie in Salt Lake City. Sie liegen gut im Plan, aber wie schon drei Jahre zuvor schmerzt Joes Knie wieder. Im Krankenhaus macht man ihm deutlich, dass ein Weiterfahren nicht möglich sei, ohne das Knie dauerhaft zu schädigen. Und so nimmt auch der zweite Versuch ein jähes Ende.

Die Brücke über die Bucht von San Francisco – ein Muss für Radfahrer

Um uns dies zu ersparen, wählen wir den Nachtflug nach New York, zumal wir auch nur zehn Tage für unser Projekt in den USA haben. Bevor wir unsere Bikes in den B&W Bags sicher verstauen, wollen wir noch der Golden Gate Bridge und Sausalito einen Besuch abstatten. Ein Muss für Radfahrer, aber die Fahrt über das Wahrzeichen San Franciscos ist an einem Sonntag und noch dazu um die Mittagszeit für „normale“ Radfahrer nicht ganz ungefährlich. Hunderte Biker sind auf einer Spur in beiden Richtungen unterwegs und nehmen mehr oder weniger Rücksicht aufeinander.

Immerhin werden wir mit Heldenwetter belohnt und genießen die Fahrt über die Brücke in beide Richtungen. Direkt im Anschluss besuchen wir nach einer guten Meile auf vorbildlichen Radwegen den beschaulichen Hafenvorort Sausalito. Inmitten vieler Biker aller Couleur, speziellen Parkplätzen und Kneipen für Biker und auf hervorragenden Fahrradspuren entlang der Küste fühlen wir uns pudelwohl, bis gegen 17 Uhr der Flugplan ruft.

Übrigens hat auch beim Bau der Golden Gate Bridge deutsche Ingenieurskunst ihre Spuren hinterlassen. Die Firma Roebling war der Lieferant der innovativen Tragseile, die diese kühne Konstruktion erst ermöglichten.

– Lesen Sie morgen, warum die Hinterländer Mountainbiker mit der Freiheitsstatue verwandt sind und es neidische Blicke für die deutschen „Nachfahren“ aus der Warteschlange gibt.

Auf Du und Du mit Legenden

Auf Du und Du mit Legenden

SERIE Die Hinterländer Mountainbiker auf Spurensuche in den USA – Teil 4

Freitag, 13. September, Fairfax. Heute wollen wir uns der Historie unseres Sports widmen. Kaum eine andere Sportart ist so jung und hat sich dennoch so rasant entwickelt wie der Mountainbike-Sport. Die Suche nach dem Ursprung des Mountainbike sollte ein Highlight werden.

Sicher ist es schwierig, auszumachen, wo der Ursprung des Mountainbikes zu finden ist, handelt es sich doch primär um ein geländegängiges Fahrrad. Das Puch Waffenrad zum Beispiel, mit dem bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Alpen erkundet wurde, passt ebenso zum Bild eines Ur-Mountainbikes wie etwa die robusten Fahrräder, mit denen die legendären „Buffalo Soldiers“ ebenfalls Ende des 19. Jahrhunderts eine Fahrrad-Kompanie der amerikanischen Nordstaaten bildeten, um abseits befestigter Straßen unabhängig von Pferden mobil zu sein. Bob Marley widmete übrigens diesen Männern seinen gleichnamigen Song.

Kalifornien, mehr als 300 Sonnentage im Jahr und traumhafte Bergregionen – das ist der Geburtsort des Mountainbikes! Wir sind auf dem Weg nach Fairfax, eine kleine Stadt in Marine County, nördlich von San Francisco. Dort entsteht grade das Museum of Bicycling, welches auch die Mountainbike Hall of Fame beheimaten wird. Wir sind aufgeregt, haben wir uns doch mit einigen ganz besonderen Persönlichkeiten verabredet, die uns die Geschichte unseres Sports aus erster Quelle vermitteln können: Sie waren dabei, als das Mountainbike begann, den Radsport weltweit um eine bedeutsame Facette zu bereichern.

1973 begannen Gary Fisher und sein Freund Jo Breeze, beide erfolgreiche Radrennfahrer, die Berge um Fairfax in Marin County mit den Fahrrädern zu erobern. Als Basis dienten die aus den 1930er bis 1950er bekannten Cruiser Fahrräder – auch Beach Cruiser genannt. Sie wurden maßgeblich von der Firma Schwinn in den USA entwickelt und gebaut. 1933 übernahm die Schwinn Bicycle Company erstmals Luftreifen aus Deutschland und verbesserte den Fahrkomfort deutlich.

Die Schwinn Cruiser wurde auch liebevoll „Clunker“ genannt, da sie recht schwer und nicht unbedingt für das schnelle Fahren auf der Straße geeignet waren. Auf Grund der Stabilität, der aufrechten Sitzposition und der Luftreifen taugten sie aber zum Gelände-Fahrrad. Der Mount Tamalpais nähe Fairfax bot Breeze und Fisher die ideale Spielwiese für steile Abfahrten im Gelände. Bergauf mussten die schweren Clunker, auf Grund der damals noch nicht vorhandene Schaltung, mühsam geschoben werden.

Es entwickelte sich eine „Clunker-Szene“ um die Pioniere Gary Fisher und Jo Breeze, zu dessen harten Kern sich auch Tom Ritchey, Charly Kelly und Otis Guy gesellten. Der Mountainbike-Sport war geboren. Somit war es auch ein Deutscher, nämlich Ignaz Schwinn – geboren in Hardheim in Baden-Württemberg -, der den Grundstein zum modernen Mountainbike legte.

In den folgenden Jahren entwickelte sich aus den Abfahrten 1976 das legendäre Repack-Rennen, ein Downhill-Rennen auf einer steil abschüssigen Schotterstraße vom Mount Pine hinunter nach Fairfax. Wagemutig stürzten sich die Fahrer mit ihren Clunker den Berg hinab, lediglich mit Rücktrittbremse, ohne jeglichen Federungskomfort und Sicherheitsausrüstung, immer auf der Jagd nach neuen Bestzeiten.

Das Repack-Rennen geht als erstes Mountainbike-Rennen in die Geschichte ein. Die Clunker wurden weiter optimiert. Besonders Gary Fisher war für Neuerungen an den Rädern bekannt. Er baute eine Gangschaltung mit Daumenschalter an seinen Clunker und verwendete Schnellspanner für die Sattelstütze. Sein Großvater kam übrigens aus Bayern, sein Nachname wurde Fischer geschrieben.

Doch noch immer waren die Clunker sehr schwer und brachen gelegentlich. Joe Breeze war der erste, der 1977 den ersten echten Mountainbike-Rahmen fertigte. Der Rahmen war deutlich leichter und gleichzeitig stabiler als alles, was bis dahin von der Szene verwendet wurde. Gary Fisher und Joe Breeze gelten damit zu Recht als Erfinder des Mountainbikes.

Mittlerweile stehen wir vor dem Museum, haben unsere Räder aufgebaut und erhaschen einen ersten Blick durch die Scheiben. Die Realisierung des Museums wird ausschließlich aus privaten Geldern finanziert. Ein lässig gekleideter Mann in Shorts und T-Shirt kommt auf uns zu. Es ist Joe Breeze, der uns herzlich begrüßt und hinein bittet. Exponate sind keine ausgestellt, das Museum befindet sich noch im Bau. Joe erklärt uns, wie es später aussehen wird.

Hinterländer treffen auf der rasanten Fahrt auf Klapperschlange und Wapiti

Plötzlich klopft es an der Scheibe. Es ist Otis Guy. Er ist genau wie wir im Radfahr-Outfit gekommen, und das hat einen guten Grund. Otis, dessen Mutter aus Berlin stammt, möchte gerne mit uns den legendären Repack-Downhill fahren, sein Sohn wird uns dabei begleiten. Doch bevor es losgeht, holen wir noch unser Buch aus dem Rucksack und überreichen es Joe. Es ist das erste Werk in den sonst leeren Regalen. Wir fühlen uns sehr geehrt.

Ganz in der Nähe des Museums befindet sich das „Gestalt Haus“, eine Kult-Kneipe für Radfahrer. Hier treffen sich die Biker auf ein Bier, auch wir machen einen kurzen Stopp, denn Otis möchte uns jemanden vorstellen: Gary Fisher sitzt auf einer Bank in der Kneipe mit ein paar Freunden. Diese Gelegenheit nutzen wir für ein gemeinsames Foto auf der Repack-Bank. Die Bank vor dem „Gestalt Haus“ ist mit Schildern und Plaketten übersät. Auf ihnen sind alle die Namen verewigt, die das legendäre Downhill-Rennen schon gewonnen haben. Es liest sich wie das „Who’s who“ des Mountainbike-Sports. Nahezu alle Größen sind hier aufgeführt.

Es war eine gute Idee, eine kleine Pause auf der Bank zu machen, denn jetzt geht es in die Berge. Gut auch, dass wir uns das Bier für später aufsparen. Es liegen 500 Höhenmeter vor uns, die auf den nächsten 10 Kilometern zurückzulegen sind. Ein hartes Stück Arbeit, zuerst auf asphaltierter Straße, später auf Schotterpisten. Besonders der steile Anstieg zum Gipfel des Mount Pine zwickt in den Waden.

In die Wade zwicken können auch Klapperschlangen. Denn in einem Gestrüpp am Wegesrand machen wir Bekanntschaft mit einer, die glücklicherweise bis auf das typische Klappern eher zurückhaltend auf unser Vorbeifahren reagiert. Belohnt werden wir nach dem Anstieg mit einem herrlichen Ausblick, der bis zum Atlantik und nach San Francisco reicht.

Da liegt sie nun vor uns, die erste Mountainbike-Rennstrecke der Geschichte. Ein kleines Schild weist dezent darauf hin. Otis empfiehlt uns, es bergab langsam angehen zu lassen. Der Untergrund ist sehr trocken, sandig und daher zum Teil sehr weich. Wenn man die Strecke nicht kennt, kommt man schnell vom Kurs ab. Er muss es wissen, schließlich hat er selbst bereits das Rennen schon einmal gewonnen, mit der drittschnellsten jemals gefahrenen Zeit.

Wir beherzigen seinen Rat und stürzen uns hinab, um die gesammelten Höhenmeter wieder in kürzester Zeit zu vernichten. Auch wenn die Strecke technisch nicht anspruchsvoll ist, so hat sie viele enge Kurven, ist steil und entsprechend schnell. Ein Abflug wäre verheerend. Zudem muss man immer mit Überraschungen rechnen: Mitten in einer Kurve hockt ein Wapiti, die Amerikaner nennen diese Hirsche auch „Buck“. Das mächtige Tier ist ebenso erschrocken wie wir, springt auf und flüchtet in die Büsche. Bei einer Kollision hätten wir sicher den Kürzeren gezogen. Auch Otis ist überrascht, so etwas hatte er noch nicht erlebt.

Nach etwa sieben Minuten, 4 Kilometern und 400 Höhenmetern ist der Spaß vorbei. Alle sind wohl behalten unten angekommen. Kaum vorstellbar, wie die Jungs damals vor fast 40 Jahren den Downhill mit ihren Clunkern und ohne Helm hinunter geschossen sind, und das in einer Zeit unter 5 Minuten.

Langsam rollen wir zurück nach Fairfax. Im „Gestalt Haus“ hängen wir unsere Räder an die Wand und lassen den Tag ausklingen. Auch Joe gesellt sich wieder zu uns, und wir haben die Gelegenheit, bei einem gemeinsamen Bier über unsere Geschichte, die Geschichte des Mountainbikes, den Repack und die Clunker zu plaudern.

Es ist, als wären wir mittendrin in der Geschichte des Sports, mit dem wir uns seit mehr als 20 Jahren beschäftigen. Für uns war dieser Tag ein ganz besonderes Abenteuer. Jeder Sport hat seine Legenden. Wir hatten die Gelegenheit, unsere Legenden zu treffen.

– Lesen Sie morgen über eine besondere Tandemfahrt, über Hunderte Biker auf der Golden Gate Bridge und über tragende deutsche Ingenieurskunst.

Sonne senkrecht am Napa Trail

Sonne senkrecht am Napa Trail

SERIE Die Hinterländer Mountainbiker auf Spurensuche in den USA – Teil 3

Schussfahrt über eine Brücke …

Freitag, 12. September, Napa. Es fängt schon wieder gut an. Als wir gegen halb zehn die Räder aus dem Konferenzraum holen, den uns das Hotel für unsere Bikes zur Verfügung gestellt hat, stellen wir fest, dass Jörgs Rad erneut platt ist. Nachwehen des gestrigen Tages. In der Pannenstatistik steht es jetzt 3:2:0. Drei platte Reifen bei Harry, zwei platte Reifen bei Jörg, Uli geht leer aus.

Gleich geht’s los: Harald …

Eine Stunde vergeht, in der wir unsere Räder flicken wie die Weltmeister. Anschließend machen wir uns auf den Weg zu einem Bikeshop, neue Schläuche müssen her. Doch der Shop öffnet freitags erst um 12 Uhr mittags. Notgedrungen geht es ohne weiter, und es kommt wie es kommen musste: Jörgs Vorderrad schwächelt wieder. Zum Reparieren müssen mittlerweile altersschwache selbstklebende Flicken herhalten, alles andere ist aufgebraucht.

Wir suchen inzwischen in Supermärkten nach Schläuchen. Im „Target“ werden wir fündig – 26″ und 29″ sogar mit Pannenschutz, genau das, was wir brauchen. Es ist schon fast Mittag, als wir endlich am Einstieg des Napa Trails ankommen, den wir von zu Hause bereits als GXP-File auf unseren Garmins geladen haben.

Die Sonne brennt gnadenlos senkrecht auf uns nieder. Der Trail empfängt uns mit unangenehmen, felsigen Anstiegen, die nicht leicht zu fahren sind – schon gar nicht in sengender Mittagshitze. Oft müssen wir absteigen und schieben. Hoffentlich reichen unsere Trinkreserven, denn wir wissen nicht, was uns auf dem 19 Kilometer langen Rundkurs noch erwarten wird. Das macht es schwierig, sich die Kräfte gut einzuteilen.

Die Temperatur steigt, die Laune sinkt, und die Wasservorräte gehen zur Neige

Die Temperatur steigt, die Laune sinkt. Schnell ist die 40-Grad-Marke erreicht. Zwei Biker kommen uns entgegen, die haben es wahrscheinlich schon geschafft. Nach Überwindung des ersten schwierigen Teilstückes entpuppt sich der Weg nach und nach als anspruchsvoller, abwechslungsreicher Pfad, mit allem was das Mountainbiker-Herz höher schlagen lässt. Rasante Downhills wechseln sich mit anspruchsvollen Anstiegen ab.

Unsere Mundwinkel gehen wieder nach oben. Serpentinenartige Spitzkehren verlangen uns alles ab, immer die Angst im Nacken, nicht rechtzeitig aus den Pedalen zu kommen. Das ist mittlerweile zu einem Problem geworden. Die Clickies lösen nur sehr widerwillig aus, obwohl wir sie schon ganz geöffnet haben, was uns verständlicherweise in schwierigen Passagen unsicher werden lässt und den Fahrspaß etwas trübt.

Jetzt vermissen wir zum ersten Mal unser Pflegeöl. Aber das stand nicht auf der Checkliste, wir sind schließlich mit Rohloff Speedhub, in Verbindung mit Gates-Carbon Riemenantrieb unterwegs – ein Rundum-sorglos-Paket, welches keinerlei Wartung benötigt. Nur den Pedalen würde etwas Pflege guttun. Auf der Checkliste für die nächste Tour wird das Öl wieder drauf stehen.

Der Weg schlängelt sich weiter an Berghängen entlang und kreuzt auch schon mal andere ausgeschilderte Trails, was uns irritiert. Aber dank unserer Garmins sind wir uns relativ sicher, auf dem richtigen Pfad zu sein, denn den Napa Trail als solchen gibt es nicht. Er setzt sich aus mehreren kleineren Rundwegen zusammen, die uns dazu zwingen, unsere GPS-Geräte ständig im Auge zu halten. Zum Glück melden diese rechtzeitig über ein akustisches Signal, wenn eine Kreuzung oder ein Abzweig naht. Sogar die benötigte Zeit und die Entfernung zur nächsten Kursänderung werden auf dem Display angezeigt.

Unsere Wasservorräte gehen langsam zur Neige, so dass wir froh sind, früher als erwartet wieder auf menschliche Behausungen zu stoßen. Zielstrebig steuern wir einen mexikanischen Supermarkt an. Ein Six-Pack Bud Light aus dem Kühlregal wechselt ziemlich schnell den Besitzer.

Beeindruckt sind wir auch von der prall gefüllten Fleischtheke. Nichts für Vegetarierer. Uli entdeckt sogar die ersten Saufüßchen in der sonst so Schweinefleisch armen Gegend. Das eiskalte Bier lassen wir uns draußen am Straßenrand, im Schatten eines Baumes, schmecken und kommen schnell ins Schwärmen, angesichts des Erlebten.

Keiner von uns denkt daran, dass Alkohol in USA in der Öffentlichkeit zumindest nicht gerne gesehen wird. In manchen Bundesstaaten ist es sogar verboten, Alkohol in der Öffentlichkeit zu trinken. In Kalifornien zum Glück nicht.

Im Nachhinein gehört der Napa Trail mit zu den schönsten und anspruchsvollsten Strecken, die wir gefahren sind. Die Strapazen sind schnell vergessen, das Positive gewinnt die Oberhand. Wir freuen uns jetzt auf den Pool, etwas Schönes zu Essen und die anschließende Weinprobe bei Beringer Wineyards in St. Helena – ein Weingut mit deutschen Wurzeln. Alles in allem ist es noch ein gelungener Tag geworden, den wir auf der Terrasse des „River Terrace Inn Hotel“ bei Beringer- und Krug-Wein ausklingen lassen.

Fakten des Tages: 40 Grad Celsius, 2 platte Reifen, 30 Kilometer, 430 Höhenmeter, Fahrzeit 2,5 Stunden.

– Lesen Sie morgen, was Bob Marley mit dem Mountainbike zu tun hat, warum ein Abflug beim Repack-Rennen verheerend ist, sowie über eine Klapperschlange, ein Wapiti und ein Treffen mit Mountainbike-Legenden.

Pleiten, Pech und Stachelbeeren

Pleiten, Pech und Stachelbeeren

SERIE Die Hinterländer Mountainbiker auf Spurensuche in den USA – Teil 2

Donnerstag, 11. September 2014, Napa Valley. Es ist 8 Uhr morgens. Wir haben um 10.30 Uhr in der Charles Krug Winery einen Termin zur Weinprobe. Das Weingut ist das älteste und eines der größten im Napa Valley. Wir wollen um 9 Uhr loszufahren, um pünktlich mit den Bikes in St. Helena zu erscheinen.

Charles Krug aus Trendelburg …

Nach Harrys Google- Maps-Recherche sind es vom Hotel bis zur Krug Winery genau 8,3 Meilen. Das müsste klappen. Doch weit gefehlt. Anstatt der 8,3 Meilen lagen mehr als 20 Meilen vor uns. Schnell war klar, dass wir uns um eine knappe Stunde verspäten würden. Hundert Meter vor dem Ziel hatten wir dann auch noch einen Platten.

Um 11.20 Uhr kamen wir an, doch da wir die einzigen waren, die für eine Führung angemeldet waren, gab es kein Problem mit der mangelnden Pünktlichkeit der Deutschen. Empfangen wurden wir von Rebecca Pattersen, die uns mit Geduld und Fachwissen viel über die Geschichte der Familie Krug und über den jetzigen Besitzer Peter Mondavi erzählte.

Charles Krug, Lehrer aus Trendelburg im Landkreis Kassel, kam 1860 nach Napa Valley. Er hielt dieses wunderbare Fleckchen Erde für ideal, um Weinanbau nach seinen Vorstellungen zu betreiben. Mit nicht besonders viel Erfahrung und ohne Weinpresse, die er sich zunächst leihen musste, begann er in St. Helena mit dem Weinbau.

Cesare Mondavi kaufte das Weingut 1943 für 75 000 Dollar. Seither ist es im Besitz der Familie Mondavi und wird aktuell von Peter Mondavi jr. immer noch unter „Charles Krug“ geführt. Es ist somit das älteste noch existierende Weingut im Napa Valley. Das Wort „Napa“ kommt übrigens von den Ureinwohnern und bedeutet Haus.

Wir lassen uns verschiedene Rot- und Weißweine in der Atmosphäre dieses alten feudalen Anwesens schmecken. Nach Sauvignon Blanc, Pinot Noir und Cabernet Sauvignon findet der Besuch in angemessenem Ambiente sein Ende, wo wir natürlich ausreichend Gelegenheit zum Kauf der Weine bekommen.

Beim Gespräch mit Rebecca Pattersen erfahren wir, dass ihr Mann auch begeisterter Biker ist. Spontan laden wir ihn ein, uns bei der geplanten Tour des legendären „Repack-Downhills“ in Marin County zu begleiten. Wenn alles klappt, treffen wir dort auf die Legenden des Mountainbike-Sports. Doch dazu später.

Nach der beeindruckenden Weintour sind wir uns einig, den geplanten MTB-Rundkurs von rund 47 Kilometern Länge sausen zu lassen und stattdessen direkt den Heimweg durch die Weinberge anzutreten.

Auf Stippvisite beim CIA – dem Kulinarischen Institut von Amerika

Vorher wollen wir noch dem Culinary Institut of America, kurz CIA, einen Besuch abstatten. Der Kontakt zu der Kochhochschule ist durch unseren Freund und Bekannten Iwo Jahn zustande gekommen.

Da das Institut unweit der Krug Winery liegt, entschließen wir uns spontan, die Schule zu besuchen. Nicht zuletzt auch in der Hoffnung, eventuell noch etwas zu essen zu bekommen. Leider hat das Restaurant schon geschlossen. Nach einem kurzen Gespräch mit Lars Kronmark, Chief Instructor des CIA, machen wir uns um 16 Uhr auf den Heimweg – durch die Weinberge soll’s gehen. Keine gute Idee. Drei Plattfüße später und nur 500 Meter weiter an dornigen Stachelbeerbüschen entlang, entschließen wir uns, das Vorhaben aufzugeben. Kein Schlauch mehr, und das Flickzeug ist ziemlich aufgebraucht.

Nun liegen 32 Kilometer bei 38 Grad entlang des vielbefahrenen Highways 128 vor uns. Selbst die unglaublich süßen Weintrauben vermögen es nicht, unsere Stimmung aufzuhellen. Schweigend machen wir uns auf nach Napa.

Die Sonne meint es zu gut mit uns, erste Unterhopfungserscheinungen zeigen sich. Die bekämpfen wir notdürftig mit einer hastig verschlungenen Cola Light von der Tanke und erreichen so ziemlich erschöpft um 18.30 Uhr und nach 68 Kilometern die lang ersehnte Oase: das River Terrasse Inn Hotel in Napa. Ein optimales Hotel, das uns bei Pool, Wein, Steaks und Livemusik schnell die Strapazen des Tages vergessen lässt.

– Lesen Sie morgen über den Napa Trail in sengender Mittagshitze, über Clickies, die nur widerwillig auslösen, und über ein kühles Bier am Straßenrand.

Wo Westernhelden einst wirkten

Wo Westernhelden einst wirkten

SERIE Die Hinterländer Mountainbiker auf Spurensuche in den USA – Teil 1

Auslöser für das Amerikaabenteuer der Hinterländer Mountainbiker war ein Zeitungsartikel in der New Yorker Staatszeitung & Herold aus dem Jahr 1986. Darin stand, dass die Vorfahren des Schöpfers der Freiheitsstatue in New York aus einer 800 Seelengemeinde im hessischen Hinterland stammten. Gemeint war Oberhörlen – der Heimatort der Mountainbiker. Da auch die Wiege des Mountainbikesports in Amerika zu finden ist, war für die fünf Männer der Titel des neuen Projekts klar: „Geschichte erfahren – Die neue Welt. Auf den Spuren des Mountainbike-Sports unterwegs in Amerika.“ Und das beginnt mit der Ankunft im Wilden Westen.

Dienstag, 9. September 2014,Venice Beach, Kalifornien.

 

Am frühen Morgen mischt sich vor dem Hotelzimmer lautes Geschrei in das Heulen einer Polizeisirene und weckt uns unsanft aus dem Jetlag. Beim Blick aus dem Fenster werden wir Zeugen, wie ein Mann – offensichtlich nach einem Beziehungsstreit – festgenommen und abgeführt wird. Die Habseligkeiten seiner (Ex-) Partnerin liegen mitten auf der Straße. Willkommen im Wilden Westen, schneller hätte die Akklimatisierung für uns nicht laufen können.

Gegen 9 Uhr sitzen wir bereits auf den Rädern und fahren unserem neuen Abenteuer entgegen. Im Rucksack tragen wir eine von nur noch drei existierenden und wertvollen Hindenburg-Leicas mit uns. Das Schätzchen ist gut versichert und in einer speziell dafür angefertigten Ledertasche geschützt. Nach zehn Meilen ist der Leica Store in Hollywood unser erstes Ziel. Der Geschäftsführer James Agnew empfängt uns mit seinem Team und nimmt mit weißen Handschuhen das Prachtexemplar gebührend in Empfang. Für einige Stunden werden seine vorab ausgewählten Kunden das gute Stück inmitten einer Kombination aus Galerie und Store und der großen Auswahl an hessischer Fototechnologie mit Weltruf bewundern können.

Im deutschen Konsulat in Los Angeles erfahren die Biker viel über die Stadt

Um 14 Uhr geht es dann bei 35 Grad Celsius und strahlendem Sonnenschein weiter zum deutschen Konsulat, wo wir der Einladung des stellvertretenden Generalkonsuls von Los Angeles folgen. Mit seinen Mitarbeitern hat er uns schon im Vorfeld bei der Planung unterstützt. Genau wie seine Kollegen in San Francisco und New York. Den Weg ins diplomatische Corps vor Ort hatte uns der ehemalige deutsche Botschafter und gebürtige Hesse, Dr. Volker Stanzel, geebnet.

Stefan Biedermann erzählt uns engagiert von der noch vergleichsweise jungen Stadt, vom Leben, Wirken und Ansehen der Deutschen im ehemaligen Eldorado einiger Westernhelden. Noch heute wird in dieser Stadt mit starker ethnischer Mischung mehr spanisch als amerikanisch gesprochen. Vorwiegend kreative Menschen sind hier zu Hause und verbreiten mit ihrer Grundeinstellung spürbar eine positive Stimmung.

Nach New York existiert in Los Angeles die zweitgrößte jüdische Community in den USA. In mehren Auswanderungswellen (um 1845, Ende des 19. Jahrhunderts, während der Nazizeit, aber auch ab 1950) strömten viele Deutsche in die USA und nach Los Angeles, das außer Hollywood heute nur wenig zu bieten hat. Aber auch hier haben Deutsche, beispielsweise ein Carl Laemmle, „der Mann, der Hollywood erfand“, Geschichte geschrieben.

Wir erfahren, dass viele Deutsche während und nach den beiden Weltkriegen ihre Herkunft aus Furcht vor Nachteilen verheimlicht haben. Unabhängig davon sind bis heute viele Deutsche, wie zum Beispiel der Filmemacher Roland Emmerich, in Los Angeles sehr erfolgreich.

Die junge Geschichte der ehemaligen spanischen Missionsstation hatte lange Jahre außer Öl nichts vorzuweisen. Das ist heute anders: Extremer Reichtum prägt das Bild in den abgeschotteten Gated Communities. AMG, der deutsche Nobeltuner, verkauft hier mittlerweile mehr Fahrzeuge als in ganz Deutschland. In den meisten Vierteln lebt man unbeschwert und sicher.

Ganz anders sieht es da in Gangland aus, eine Gegend, die nicht unter Kontrolle ist und selbst mit Autos gemieden werden sollte. Auch wenn sich die Zahl der Morde in den letzten Jahren von durchschnittlich drei pro Tag auf „nur“ noch ein Mordopfer reduziert hat. Die Achillesferse der Stadt ist die Wasserversorgung. Riesige Pipelines versorgen seit mehr als 100 Jahren das mehr oder weniger wasserlose Gebiet. Genauso lange wartet man auf ein großes und längst fälliges Erdbeben.

Nach einem Gruppenfoto mit Stefan Biedermann und den Konsulatsangestellten machen wir uns wieder auf den Weg, um nicht in den Berufsverkehr zu geraten. Hier lauert für Radfahrer die größte Gefahr. Unfallflucht ist, so Stefan Biedermann, bei fast 50 Prozent der Verkehrsunfälle die traurige Realität, da die Flüchtigen entweder keine Papiere oder Angst vor den juristischen und damit in den USA erheblichen finanziellen Konsequenzen haben.

Kurz vor unserem Domizil, ereilt Jörg Krug der erste Plattfuß, den wir jedoch in wenigen Minuten beheben. Und so werden wir noch rechtzeitig auf dem 26 Meilen langen Fahrradweg entlang des Pazifischen Ozeans bei Venice Beach mit einem herrlichen Sonnenuntergang belohnt und lassen den Tag auf dem Sattel ausklingen.

– Lesen Sie morgen über eine Route, die kein Ende nimmt, über das größte und älteste Weingut im Napa Valley – natürlich gegründet von einem Hessen – und über einen Plattfuß nach dem anderen

The Hinterländer Mountain Biker – German bikers traveling on the traces of German ancestors in the USA

Lakehurst
Sep 24, 2014

Enlarge image Hinterländer Mountainbiker at the Hindenburg Memorial (© Hinterländer Mountainbiker) “Learning about traces of German heritage in the USA by bike” is the motto of Ulrich Weigel, Jörg Krug and Harald Becker during their trip through the USA. These three highly motivated mountain bikers came all the way from Germany with their beautiful bikes which were designed especially for their long planned US-bike tour.

The goal of this trip was to explore German traces in the USA, especially those in New York and New Jersey. For this purpose, the three bikers brought not only their spectacular bikes to the U.S. but also the original Hindenburg Camera. With the Hindenburg Camera, they wanted to visit the Hindenburg Crash Site in Lakehurst (NJ) and experience the atmosphere of the tragedy that happened in 1937. With the help of the German Consulate General it was possible to organize a trip through the Hindenburg’s history, making their wish become a reality.
The three German Mountain bikers were able to take a private tour of the Hindenburg Memorial in Lakehurst. Arriving at the Hindenburg site, Ulrich, Jörg, and Harald were moved by seeing the tragic site where the German passenger airship Hindenburg (LZ-129), which carried hundreds of passengers and traveled thousands of miles, was destroyed in a tragic fire on May 6, 1937 at NAS Lakehurst. Measuring 803.8 feet in length and 135.1 feet in diameter, the German passenger airship Hindenburg (LZ-129) was the largest aircraft ever to fly, and the commercial flights of Hindenburg pioneered the first transatlantic air service.
The three bikers then took the piece of history of this tragedy out of their bag – the original Hindenburg camera and this, for sure, was a moving moment as old emotions and the tragedy of 1937 came up.
Ulrich, Jörg, and Harald also visited the Air Church, where they were shown memorial plaques honoring the victims of this tragedy. They also remarked that they were able to recognize some names of survivors.
By the end of the tour, after having taken great photos, the three bikers were satisfied with the successful tour. Their tour guide was also very pleased to welcome such special and rare guests to the Hindenburg Memorial and enjoyed also being able to see the original Hindenburg camera. It was a win-win tour!
Before coming to the East Coast, Ulrich, Jörg and Harald explored traces of German ancestry in California.

Mountainbikelegenden auf „einer“ Bank

Zu Besuch in Fairfax, wo gerade das neue Museum of Bicycling mit der Mountainbike Hall oft Fame entsteht. Hier in Fairfax wurde der Mountainbikesport, wie wir ihn kennen, erfunden. Bei der Gelegenheit treffen wir uns mit einigen Legenden des Mountainbikesports. Hier auf der „Repack“ Bank neben uns Gary Fisher und Otis Guy. Mit Otis zusammen fahren wir den legendären Repack-Downill, das erste offizielle Mountainbikerennen überhaupt.Legenden

Die heiße Spur zur „Lady“

Am 17.08.2014 in Mittelhessen.de und in der Presse
VON HARTMUT BÜNGER

Die heiße Spur zur „Lady“

MOUNTAINBIKE-TOUR Ahnen von Bartholdi lebten in Oberhörlen

Steffenberg-Oberhörlen. Wenn die Hinterländer Mountainbiker in diesem Jahr in den Vereinigten Staaten von Amerika auf ihren Rädern unterwegs sind, dann werden sie auch eine Spur aus dem Hinterland verfolgen. Genauer: eine Spur aus Oberhörlen. Denn genau dort haben einst die Ahnen des Mannes gewohnt, der die Freiheitsstatue entworfen und gebaut hat.

Frédéric August Bartholdi heißt der Mann, der die „Lady Liberty“ 1886 erschuf. Nicht nur wegen seines Namens, auch wegen seiner Geburt im Elsaß (1834) und seinem Tod in Paris (1904) verortet man ihn und seine Familie schnell in Frankreich. Ein Fehler, wie Ulrich Weigel und seine Mitbiker Harald Becker, Jörg Krug, Siegfried Pitzer und Matthias Schmidt im Vorfeld ihrer neuen Tour herausgefunden haben.

„Unsere Recherchen laufen auf Hochtouren und wir sind auch schon fündig geworden“, berichtet Ulrich Weigel dem Hinterländer Anzeiger. Eine „heiße Spur“ führe zum Schöpfer der Freiheitsstatue. Der sei nicht etwa Franzose, auch nicht nur Deutscher, Hesse oder gar Hinterländer. „Nein, seine Frau wurde in der gleichen Kirche in Oberhörlen konfirmiert und mit ihm getraut, in der Jörg und ich konfirmiert wurden und ich getraut wurde“, erzählt er.

Wie schon so oft half der Heimathistoriker Heinz Blöcher aus Eschenburg-Roth bei den Recherchen. Er stieß die Mountainbiker auf die Wurzeln des „französischen“ Bildhauers im Hinterland. Den Beleg haben die Mountainbiker natürlich selbst in Augenschein genommen. Und das Kirchenbuch, das in einem feuerfe᠆sten Schrank im Pfarrhaus aufbewahrt wird, beweist: Am 10. Mai 1660 hat Wilhelm Bartholdy in Oberhörlen Maria Juliana Welcker gefreit. Anschließend war er von 1664 bis 1682 Pfarrer in Höringhausen, ehe er ab 1683 Nachfolger seines Schwiegervaters, Pfarrer Gerlach Welcker, in Oberhörlen wurde. Ein Familienzweig führte von dort ins Elsass.

Das ist allerdings nicht die einzige Spur aus Mittelhessen und Hessen, auf die sich die Mountainbiker begeben, wenn sie in der zweiten Septemberwoche unter dem Motto „Die neue Welt und auf den Spuren des Mountainbike-Sports unterwegs in Amerika“ die USA bereisen. „Etwa 15 Spuren haben wir gesichtet“, berichtet Ulrich Weigel im Gespräch mit dem HA, „am Ende überlegen wir, was wir verwirklichen können.“ Zum einen müsse man die unterschiedliche Orte in der zur Verfügung stehenden Reisezeit erreichen können. Zum anderen spiele auch die finanzielle Seite eine Rolle.

Suche nach den Spuren des einzigen überlebenden Posträubers

Auf jeden Fall werden die Mountainbiker eine Original Leica Kamera dabei haben, die während der Feuersbrunst beim Unglück des Luftschiffes Hindenburg in Lakehurst stark beschädigt wurde.

Noch auf der Suche sind die die Biker nach Nachfahren von David Briehl, einem der acht Subach-Posträuber, die 1822 den Geldtransport zwischen Gladenbach und Gießen überfielen. Lediglich einem gelang die Flucht. David Briehl, Strumpfhändler aus Dexbach, entzog sich der Hinrichtung, indem er nach Amerika auswanderte. Er ließ sich in Saugerties nahe New York York nieder, heiratete und baute sich ein Haus. Dies geht aus einem Brief hervor, den er seinem Bruder am 25. April 1845 schickte. Dieses letzte Lebenszeichen liegt den Mountainbikern in Kopie vor.

Aus Hessen stammt auch einer der beiden Gründer von Bausch & Lomb. Bekannt geworden ist Bausch & Lomb besonders durch die berühmte Brillenmarke Ray-Ban. In Rochester bei New York steht heute noch das bekannte Lomb Haus. Während Johann Jakob Bausch aus Württemberg stammt, wurde Henry C. Lom am 24. November 1828 in Burghaun bei Fulda geboren.

Deutsche Wurzeln hat auch Levi Strauss. Er wurde am 26. Februar 1829 unter dem Namen Löb Strauß in Buttenheim bei Bamberg als Sohn jüdischer Eltern geboren, wie die Mountainbiker ermittelt haben. Nach dem Tod des Vaters folgte die Familie 1847 den ältesten Söhnen nach, die schon ausgewandert waren und in Amerika einen Textilhandel gegründet hatten. Die Nachricht von Goldfunden in Kalifornien lockte Strauss nach Kalifornien. Sehr schnell fand er heraus, dass strapazierfähigere Hosen aus robusterem Stoff benötigt wurden. Zusammen mit dem Schneider Jakob Davis bekam er schließlich 1873 das Patent für die genietete Hose. Die Jeans war geboren.

Eine ereignisreiche Reise steht den Mountainbikern also wieder bevor. Eine Reise, auf der es auch um den Mountainbike-Sport als solchen gehen soll. „In Kalifornien werden wir zunächst beim Kamikaze Event unter anderem die Mountainbike-Legenden Hans Rey und Tom Ritchey treffen“, kündigt Weigel an.

Schon jetzt würden sie sich auf die legendären Downhills im Kalifornischen Bergland freuen – und natürlich auf die hessischen Wurzeln in den Weingebieten von Napa Valley. Ohne die geht es eben nirgendwo.

Ein Prosit auf Wetzlar

„Am 05.08.2014 in Mittelhessen in der Presse Von Iris Baar“

Ein Prosit auf Wetzlar

ABENTEUER Biker entdecken heimische Geschichte in den USA

Wetzlar. Mit einem Dollar in der Tasche und nur einer Unterhose im Gepäck: So ausgestattet verließ der Wetzlarer Friedrich Schäfer 1838 seine Heimat und setzte nach New York über. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder folgte 1840. Zwei Jahre später verkauften sie das erste deutsche Lagerbier auf dem Broadway. Jetzt reisen ihnen die Hinterländer Mountainbiker hinterher. Sie wollen das Schäfer-Bier probieren. Unter anderem. 

„Ja, was ist das denn?“ Beim Ausruf von Harald Becker reißt sein Freund Ulrich Weigel den Kopf hoch. Beim Recherchieren über die Bier-Brüder aus Wetzlar sind die zwei Radfahrer im Wetzlarer Stadtarchiv auf eine 70 Jahre alte Festschrift zum 100. Geburtstag der Brauerei gestoßen. Sie zeigt Fotos von Friedrich Schäfer neben seinem Bruder Maximilian, von ihrer ersten Brauerei am Broadway in Manhattan, und von der nächsten – größeren – in der 7th Avenue. „Die haben echt ein Imperium aufgebaut“, freut sich Harald Becker, der das Bier-Kapitel für die nächste Geschichtstour der Mountainbiker recherchiert. Begeistert blättert er weiter – zum Geburtshaus der Brüder in Wetzlar. Es steht noch heute in der Engelsgasse 2. „Das schauen wir uns gleich mal an“, sind sich die Jungs einig und rollen vom Archiv drei Straßenecken weiter. „Zum Reichsapfel“ hieß die Wirtschaft damals, die sich im Erdgeschoss befand. Eine Wirtschaft ist in dem schmalen Gebäude nicht mehr zu finden, aber der Reichsapfel ziert das Haus noch heute.

Schon seit zwei Jahrzehnten fahren Becker, Weigel und ihre Freunde Jörg Krug, Siegfried Pitzer und Matthias Schmidt auf den Spuren mittelhessischer Geschichte um die Welt. Dabei werden sie von Jahr zu Jahr professioneller. Hatten sie sich anfangs mit schwerem GPS-Gerät auf dem Rücken getroffen, um alte Wanderwege und Routen quer durch das Hinterland zu erkunden und aufzuzeichnen, haben sie das Radfahren längst um den Aspekt „Geschichte“ erweitert und überwinden nun eine Ländergrenze nach der anderen. Sie arbeiteten sich bereits auf den Spuren Hannibals hoch auf die Alpen, besuchten Auswanderer in Brasilien, spürten mittelhessische Anekdoten in Japan und Namibia auf. Im September werden sie in Kalifornien und New York auf Spurensuche gehen.

Bier kommt aus Wetzlar, die Freiheit aus dem Hinterland

„Die Wetzlarer Bier-Brüder sind ja nur eine der Spuren, die wir verfolgen werden“, erklärt Ulrich Weigel, der als Hausaufgabe das Thema „Freiheitsstatue“ recherchieren muss. Denn der Stammvater des Schöpfers der Freiheitsstatue kommt – wie sollte es auch anders sein – aus Mittelhessen. „Seine Frau wurde sogar in der gleichen Kirche im hinterländischen Oberhörlen konfirmiert und mit ihm getraut, in der ich konfirmiert und getraut wurde“, erzählt Ulrich Weigel nicht ohne Stolz.

Dass das berühmte Heinz-Ketchup auf Rezepten von Anna Margaretha Heinz, geborene Schmidt basiert, die aus dem oberhessischen Kruspis stammte, haben die Mountainbiker natürlich auch herausgefunden.

Und sie werden eine Leica auf den Amerika-Trip mitnehmen, die beim Unglück des Luftschiffs „Hindenburg“ 1937 in Lakehurst stark beschädigt wurde. „Wenn es klappt, fahren wir mit der Leica im Gepäck in einem Luftschiff über die Unglücksstelle“, erzählen Harald Becker und Ulli Weigel.

Doch bevor sie ihr Abenteuer starten können, liegt noch eine Menge Arbeit vor den Radlern. Sie müssen sich durch alte Kirchenbücher arbeiten, in vergilbten Seiten im Stadtarchiv blättern und sich durchs Internet klicken. In Amerika wollen sie mit den Erkenntnissen die mittelhessischen Vorfahren von Bier, Ketchup und der Freiheitsstatue aufsuchen und anschließend ein Buch herausbringen.

Eines ist klar: Auf das erste deutsche Lagerbier der USA freuen sich die fünf Freunde schon jetzt. Bezahlen werden sie es auch können. Denn anders als Friedrich Schäfer wollen sie mit mehr als einem Dollar im Gepäck in die Staaten reisen. Und die ein oder andere Unterhose mehr sollte auch drin sein.